von Hanspeter Hürlimann
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19. Oktober 2025
Verklebte Faszien können die Ursache zahlreicher Beschwerden sein, auch solcher Beschwerden, die man auf den ersten Blick gar nicht mit den Faszien in Verbindung bringt. Faszien sind sehr widerstandsfähige und elastische Häute, die u. a. Organe und einzelne Muskelstränge umhüllen. Faszien können verkleben und verhärten. Schmerzen entstehen, angefangen bei Bauch-, Nacken-, Schulter-, Rücken- und Gelenkschmerzen – bis hin zu Schmerzen, die durch den ganzen Körper wandern. Faszien - das besondere Bindegewebe Der Begriff "Faszien" entstammt dem Lateinischen und bedeutet so viel wie "Band" oder "Bündel", was die Struktur des Faszien Gewebes - es gehört zum Bindegewebe - sehr gut beschreibt. Es ist bandförmig, reissfest und kollagenreich und weist eine Dicke zwischen 0,5 und 3 Millimetern auf. Das Fasziengewebe besteht u. a. aus Kollagenfasern, Wasser und verschiedenen Klebstoffen. Diese Kombination sorgt für Stabilität, Elastizität und Gleitfähigkeit. Somit geben die Faszien unserem Körper Halt, ermöglichen geschmeidige Bewegungen und im Bedarfsfall gestatten sie sogar eine sanfte Verschiebung der Organe. Als netzartiges und überaus komplexes Bindegewebe umhüllen die Faszien sämtliche Organe, Muskeln, Gefässe, Knochen, Sehnen und Bänder. Sie verbinden alles miteinander, halten sämtliche Teile des Körpers zusammen und fixieren sie am richtigen Platz. Die Aufgaben dieses Gewebes gehen jedoch weit über die reine Formgebung und Bindefunktion hinaus. Fasziengewebe - Wasserspeicher und Teil des Immunsystems Das Fasziengewebe dient aufgrund seiner hohen Wasserbindefähigkeit als unverzichtbarer Wasserspeicher. Und auch an der Abwehrfunktion des Körpers ist es massgeblich beteiligt. Einerseits bildet dieses Gewebe eine bedeutende Barriere, die Fremdkörpern das Eindringen erheblich erschwert und andererseits befinden sich darin sogenannte Makrophagen. Makrophagen sind Fresszellen, die zum Immunsystem gehören. Sie sind in der Lage, pathogene Mikroorganismen und Gewebetrümmer enzymatisch aufzulösen. Faszien ermöglichen die Verschiebung der Organe Die Faszien sorgen dafür, dass all unsere Organe und Körperteile immer an ihrem vorbestimmten Platz bleiben. Wäre das nicht der Fall, würden sie bei jeder Bewegung durch den Körper purzeln. Doch trotz dieser ordnenden Eigenschaft ermöglicht das Gewebe den Organen, ihre festgelegte Position bei Bedarf zu verschieben. Das ist die elementare Voraussetzung dafür, dass beispielsweise das Atmen, die Verdauung oder auch eine Schwangerschaft überhaupt möglich sind. Beim Einatmen können sich somit die Lungen ausdehnen und die Organe im Bauchraum können leicht nach unten verschoben werden, ohne dass eines dieser Organe das andere in seiner Funktion beeinträchtigt. In der Schwangerschaft werden nahezu sämtliche Organe zur Seite geschoben, damit dem Baby ausreichend Platz für das Wachstum zur Verfügung steht. Und auch in dieser extremen Situation leiden die Organe nicht übermässig, da sie vom Fasziengewebe so geschützt werden, dass sie nicht unmittelbar aneinander reiben. Bewegungsmangel lässt Faszien verkleben Damit die Faszien stabil und gleichzeitig elastisch bleiben, sind sie auf ausreichende Bewegung angewiesen. Dennoch sollten sie nicht überlastet werden, denn ein Übermass an Bewegung kann ebenso wie ein Bewegungsmangel dazu führen, dass das Bindegewebe zu verkleben beginnt. In dieser Situation ist ihre Gleitfähigkeit eingeschränkt, was sich wiederum auf unsere Beweglichkeit – und damit auf unser Wohlbefinden – deutlich auswirkt. Wie ein gestörtes Lymphsystems die Faszien verklebt Neben den Blutgefässen führen auch die Lymphgefässe durch das Fasziengewebe. Mit den Blutgefässen werden Nährstoffe zu den Zellen hin und mit den Lymphgefässen Stoffwechselabfallstoffe sowie andere Schadstoffe von den Zellen weg transportiert. Der Lymphfluss wird ausschliesslich durch Muskelbewegung in Gang gehalten, daher ist das Lymphsystem ebenfalls auf eine ausreichende Muskelaktivität, also auf Bewegung, angewiesen. Das Lymphsystem Besteht nun beispielsweise eine länger anhaltende Muskelverspannung, z. B. im Nacken-, Schulter- oder Rückenbereich, so kann aufgrund der fehlenden Muskelbewegung der Lymphfluss dort merklich beeinträchtigt werden. Da dieser Bereich nun nicht mehr adäquat bewegt wird, kann er auch nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden. Und auch der Abtransport der Schadstoffe funktioniert nicht mehr. Da die Lymphe u. a. auch den Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen transportiert, kann es jetzt noch problematischer werden. Normalerweise liegt das Fibrinogen in der Lymphe in gelöster Form vor. Bei einem Lymphstau hingegen reichert sich das Fibrinogen im Gewebe an und wird dort nun unter Einwirkungen anderer Substanzen zu Fibrin abgebaut. Aus dem Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen wird somit Fibrin – ein körpereigener "Klebstoff", dessen Aufgabe normalerweise das Verschliessen von Wunden ist. Da jedoch keine Wunde vorhanden ist, verklebt das Fibrin stattdessen das umliegende Bindegewebe. Ursache undefinierbarer Schmerzen Die verklebten Faszien führen nun zu zwei unterschiedlichen Problematiken: Einerseits werden durch den Verlust ihrer Zugkraft und Flexibilität die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Muskelfasern deutlich eingeschränkt. Andererseits können die Nerven, die durch diesen Gewebebereich führen, gequetscht werden, was u. U. zu empfindlichen Schmerzen führt. Dabei handelt es sich um Schmerzen, deren Ursache auf einem Röntgenbild nicht auszumachen ist, so dass bei undefinierbaren Schmerzen immer auch an das Bindegewebe zu denken ist. Wenn die Faszien verhärten Ältere Menschen weisen im Vergleich zu jüngeren generell einen wesentlich niedrigeren Flüssigkeitsanteil im Körper auf. Unter diesem Flüssigkeitsverlust leidet natürlich auch das Bindegewebe. Das vormals ausgeglichene Verhältnis zwischen faserigen und wässrigen Anteilen verschiebt sich, weshalb das Bindegewebe älterer Menschen häufig aus überwiegend festen, unflexiblen Kollagenfasern und deutlich weniger elastischen Fasern bestehen. Mit der Veränderung der Flüssigkeitsanteile verändert sich auch die räumliche Struktur des Bindegewebes. Statt der normalerweise rautenförmigen Anordnung, sehen die Fasern jetzt wie ein verknotetes Wollknäuel aus. Die Faszien wachsen ineinander, verfilzen und beginnen an allen Ecken und Enden miteinander zu verkleben. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass die Bewegungsmöglichkeit der Muskeln zunehmend eingeschränkt wird. Verhärtet sich das Bindegewebe schliesslich, wird das Beugen oder Strecken der Gelenke immer schmerzhafter. Auch die Entwicklung einer Baker Zyste kann durch ein verspanntes und verhärtetes Bindegewebe begünstigt werden. Verklebte und verhärtete Faszien: Eine Gefahr für Organe und Gehirn Da das Bindegewebe den gesamten Organismus wie ein Netz umspannt, ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Organe von der Verhärtung der Faszien ebenfalls betroffen sind. Dies ist besonders dramatisch, da eine starre Aussenhülle die Organe darin behindert, Nährstoffe in ausreichendem Masse aufzunehmen und Schadstoffe in angemessenem Umfang abzugeben. Die Blutzufuhr, und damit die Sauerstoffversorgung der Organe, wird ebenfalls erschwert, so dass die Lebenskraft der betroffenen Organe stetig nachlässt – all das weniger als Folge des Alters als vielmehr als Folge eines Flüssigkeitsmangels und eines verklebten oder verhärteten Bindegewebes. Selbst das Bindegewebe im Gehirn zieht sich bei älteren Menschen aufgrund des Flüssigkeitsmangels zusammen. Dadurch wird der Zwischenraum zwischen dem Schädelknochen und dem Gehirn immer grösser. Diese Entwicklung ist besonders bei einem Sturz auf den Kopf verhängnisvoll, denn dann stösst das Gehirn aufgrund des grossen Zwischenraums mit Wucht gegen die Schädeldecke. Die Folge eines solchen Sturzes ist häufig ein Schädel-Hirn-Trauma, was zu schweren Hirnverletzungen führen kann. Fazit zu den Faszien Sie wissen nun, welche überaus wichtigen Aufgaben das Bindegewebe erfüllt und welche Folgen verklebte, verhärtete oder verletzte Faszien nach sich ziehen können. Daher lohnt es sich in jedem Fall, aktiv zu werden und Massnahmen zu ergreifen, die Ihr Bindegewebe gesund und geschmeidig halten. Bei undefinierbaren chronischen Schmerzen hingegen, oder auch nach Unfällen und Operationen, sollten Sie darüber hinaus jedoch unbedingt einen Faszien-Spezialisten oder Osteopathen zu Rate ziehen – damit Sie Ihr Leben schnellstmöglich wieder schmerzfrei geniessen können. Quelle: Schwind P., "Faszien - Gewebe des Lebens: Das geheimnisvolle Netzwerk des Körpers und seine Bedeutung für unsere Gesundheit", Auflage September 2014, Irisiana Verlag